Wie klimaschädlich ist Bauen?
In deutschen Ballungszentren fehlt Wohnraum. Mehr Wohnungen und Häuser sollen her. Das ist nachvollziehbar und in gewisser Weise auch richtig. Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass der globale Bau- und Gebäudesektor für fast 40 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist[1] – Deutschland trägt dazu entscheidend bei.
Und die Emissionen sind nur das eine. Weitere Belastungen für Klima, Umwelt und Natur sind zudem diese: große Mengen Müll; Materialien, die vielfach nicht recycelt werden können und als Sondermüll anfallen; Giftstoffe; Verlust an Lebensraum für Tiere und Pflanzen 👉🏽 Biodiversität nimmt ab; Wasser kann nicht einsickern; Städte werden heißer. Das ist nur ein Teil der negativen Aspekte, die man beim Thema Bauen im Hinterkopf haben sollte.
Da wir um dieses Thema aber nicht herumkommen und sich jeder von uns über einen schönen Unterschlupf freut, sollten wir uns dem Ganzen von einer anderen Richtung nähern.
Inhaltsverzeichnis
- Wie klimaschädlich ist Bauen?
- Nachhaltiger Hausbau – Was gehört dazu?
- Erneuerbare Naturmaterialien für Häuser und Wohnungen
Nachhaltiger Hausbau – Was gehört dazu?
Da der Bau von Wohnraum also nicht stoppen wird, sollte er zumindest so umweltfreundlich wie möglich vonstatten gehen. Um es rundherum nachhaltig zu gestalten, steht man gerade im Gebäudesektor vor einer Mammutaufgabe. Schließlich fängt Nachhaltigkeit bei menschenwürdigen Arbeitsbedingungen an, geht über die Kraftstoffart, mit der die LKWs unterwegs sind und endet beim Nagel, der fair genhandelt sein sollte.
Ganz entscheidend geht es aber auch darum, welche Materialien zum Einsatz kommen. Flachdächer können etwa mit einer Betonschicht bedeckt sein oder mit einer insektenfreundlichen Wiese, die Lebensraum für die Krabbler spendet, Feuchtigkeit speichert und die Luft abkühlt. Auf diese grünen Alternativen, die den Hausbau nicht rundherum nachhaltig zaubern, aber in der Summe einen großen Unterschied machen können, möchten wir den Blick im Folgenden richten.
Erfreulicherweise ist der Markt an ökologischen Baumaterialien schon recht groß. Lückenlos können wir dies nicht abbilden, aber für einen Einblick sollte es allemal reichen. Falls du einen deiner persönlichen Favoriten vermisst, dann ab mit ihm in das Kommentarfeld!
Erneuerbare Naturmaterialien für Häuser und Wohnungen
Wir beginnen oben beim Dach, steigen bis in den Keller hinab und schauen, welche nachhaltigen Materialien uns auf diesem Weg begegnen. Dabei wirst du vor allem traditionelle, fast vergessene Stoffe entdecken, die seit ein paar Jahren wieder verstärkt nachgefragt werden.
Dächer nachhaltig decken mit Reet, Schilf, Schiefer und Grünflächen
So ein Dach muss in seinem Leben eine Menge Stürme, Regenschauer und Sonnenstrahlen aushalten. In Deutschland erledigen diesen Job meist Ziegel aus Ton. Diese sind zwar vergleichsweise günstig, doch ihre Herstellung verbraucht sehr viel Energie. Hinzu kommt, dass in der Regel eine zusätzliche Dämmschicht notwendig ist.
Reet und Schilf
Ganz klassisch findet man sie auf Sylt oder in Dänemark: schnuckelige Häuser in den Dünen, die mit Reet oder Schilfrohr gedeckt sind. Beide Pflanzen wachsen in Feuchtgebieten, sie sind sehr robust und von Natur aus schwer entflammbar. Auf dem Dach montiert, halten sie Wind ab, sie schützen vor Wärme im Sommer und vor Kälte im Winter.
In vielen Fällen ist nicht einmal eine zusätzliche Dämmschicht nötig. Einziger Nachteil: Sie sind etwa 40 % teurer als eine günstige Dachbedeckung mit Ziegeln. Dem gegenüber steht allerdings eine lange Lebensdauer, die durchschnittlich über zwei Generationen reicht.
Schiefer
Im Gegensatz zu Reet und Schilf handelt es sich bei Schiefer zwar nicht um eine nachwachsende Ressource, doch auch das Sedimentgestein bietet eine Reihe von umweltfreundlichen Vorzügen. Schieferdächer haben eine Lebensdauer von mindestens 100 Jahren. Zur Orientierung: Ziegel aus Beton oder Ton halten etwa 50 Jahre.
Das Naturprodukt muss nach dem Schlagen in den Tagebauten nicht gebrannt werden. Es folgt eine direkte Weiterverarbeitung, die vor allem darin besteht, die Brocken in Form zu bringen. Im Gegensatz zu vielen industriell hergestellten Dachmaterialien bleibt Schiefer ein komplettes Naturprodukt, das nicht mit Bindemitteln o. ä. angereichert werden muss.
Dachbegrünung für mehr Artenvielfalt
Die Dachbegrünung hatten wir oben bereits erwähnt. Sie bietet sich sowohl für Flach- wie auch für Schrägdächer an und benötigt auf jeden Fall eine isolierende Unterschicht. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, steht der Einrichtung nichts mehr im Weg.
Damit ein möglichst hoher Nutzen für Umwelt und Klima erzielt wird, solltest du bei der Begrünung z. B. auf einen bunten Mix aus robusten Sukkulenten, wasserspeichernden Moosen und Wildblumen legen, die Nahrung und Lebensraum für Insekten bieten. Darüber hinaus darf man in vielen Gegenden auch Bienenstöcke auf Dächern platzieren – auch ein toller Beitrag, um die Biodiversität in Städten und auch in ländlichen Gegenden erhöhen.
Umweltfreundliche Dämmstoffe für Häuser und Wohnungen
Dämmstoffe kommen im Hausbau an ganz unterschiedlichen Stellen zum Einsatz: häufig unterm Dach, über Böden und an Wänden. Die Art des Dämmstoffs muss dabei zum jeweiligen Einsatzgebiet passen. Ist etwa zwischen Wänden kein Hohlraum vorhanden, sind Dämmplatten gefragt. Anders sieht es bei Lücken unter Dachziegeln aus, die z. B. mit Zellulosefasern gefüllt werden können. Auf jeden Fall gibt es zu Glaswolle, erdölbasiertem Schaumstoff & Co. viele nachhaltige Alternativen.
Dämmen mit Holzfasern und Holzwolle
Klar, mit Holz kann man auch ganze Häuser bauen. Viele setzen beim Fundament jedoch weiterhin auf Stein und möchten den nachwachsenden Rohstoff nur zum Innenausbau verwenden. Auch das ist absolut sinnvoll, denn Holz sorgt nicht nur für ein gesundes Raumklima, sondern es weist auch sehr gute Dämmeigenschaften auf.
Benötigt man Dämmplatten, bietet sich hierfür ein Presswerk aus Holzfasern an, die häufig in Sägewerken als Reststoff anfallen. Nachteil ist, dass der Pressvorgang recht energieintensiv ist. Geht es hingegen darum, Hohlräume mit Isolierstoffen auszukleiden, kannst du zum Beispiel auf Holzwolle zurückgreifen.
Dämmmaterial aus Pflanzenfasern
Es gibt eine Reihe von Pflanzen, die für das Dämmen in Frage kommen. Besonders geeignet, da sehr robust, sind die Bestandteile von Hanf und Flachs. Ihre Fasern halten hohe Spannungen aus und sind sehr feuchtigkeitsbeständig. Die Pflanzen an sich sind eher anspruchslos und wachsen schnell. Ein weiteres Plus für die Ökobilanz.
Presst man sie zu Platten, braucht man relativ viel Energie und Bindemittel müssen ebenfalls hinzu. Ganz ohne Zusätze eignen sich die Fasern jedoch auch als Einblas- oder Stopfdämmung. In dieser Form können sie beispielweise auch als Trittschalldämmung zwischen zwei Bodenbelägen zum Einsatz kommen.
Fasern aus Kokos und Kork eignen sich zwar auch sehr gut als Dämmstoff, da sie jedoch beide nicht in Deutschland angebaut werden können, wirkt sich der lange Transportweg, gerade bei den Kokosfasern, negativ auf die Ökobilanz aus.
Mit organischem Meeresmüll isolieren
Kennst du die kleinen braunen Bälle, die häufig im Herbst an Stränden herumliegen? Wenn nein, dann hier die Erklärung: Dabei handelt es sich um getrocknete Pflanzenreste von Seegras. Abgestorbene Bestandteile werden an den Strand gespült, durch den Wind verwirbelt und zu kleinen Bällen geformt.
Findige Unternehmer sammeln diese ein, sie werden minimal gesäubert, getrocknet und können dann ohne weitere Behandlungsschritte als Dämmmaterial in Hohlräumen Anwendung finden. Im Vergleich zu anderen Pflanzenfasern sind die von Seegras besonders resistent gegen Schimmel und Schädlinge.
Bio-basierter Dämmstoff aus Pilzmyzel
Das Myzel eines Pilzes ist das, was man in der Regel nicht sieht. Es ist im Grunde das Wurzelwerk, über welches der Fruchtkörper all seine Nährstoffe bezieht. Forscher haben herausgefunden, dass das unterirdische Geflecht in Verbindung mit anderen biologischen Materialien hervorragende Dämmeigenschaften aufweist.
Man kann es auf organischem Material wie z. B. Sägespäne züchten und daraus schon nach kurzer Zeit biologisch abbaubare Dämmmaterialien herstellen. Es gibt sie bereits in Form von Platten und dicken Steinen für den Hausbau, aber sie hängen etwa auch in Tonstudios als Quadrate an der Wand, um den Sound zu verbessern.
Mit Tierhaaren dämmen?
Vom Prinzip her eignen sich Tierhaare, allen voran Schafwolle, hervorragend zum Dämmen.
Zwei Dinge sprechen jedoch dagegen: Die Felle müssen erstens aufwendig gereinigt werden und zweitens sind sie sehr anfällig für Schädlinge. Letztere könnte man effektiv durch Chemikalieneinsatz abhalten, doch damit wäre in puncto Umweltschutz nichts gewonnen.
Ökologische Häuser aus Lehm und Holz
Die meisten Häuser bestehen aus herkömmlichen Klinkern und Beton. Dies ist in der Regel die günstigste Option, millionenfach erprobt und irgendwie praktisch. Nachhaltiger, origineller und auch unserer Sicht auch schöner sind dagegen Häuser aus Lehm und/oder Holz.
Wände und Böden aus Lehm
Im Vergleich zu einer herkömmlichen Bauweise ist die mit Lehm etwa ein Fünftel teurer. Für immer mehr Menschen ist das allerdings kein Ausschlusskriterium und sie geben dem traditionellen Material eine Chance.
Lehm bringt eine Reihe von Vorzügen mit sich: Es entfallen lange Transportwege, da Lehm an vielen Stellen zu finden ist. Das biologische Material sorgt auf natürliche Weise für ein gesundes Raumklima, indem es überschüssige Feuchtigkeit und Wärme aufnimmt und bei Bedarf auch wieder abgibt. Lehm ist extrem robust, hält Wetterextreme verhältnismäßig gut aus und hat eine Lebensdauer von mehreren hundert Jahren.
Darüber hinaus ist der schlammige Stoff vielseitig einsetzbar. Du kannst damit Wände und Böden errichten, aber auch kleinteilige Möbel. Wie auch immer du ihn verwendest, auf irgendwelche chemischen Zusätze kannst du grundsätzlich verzichten.
Umweltfreundliche Holzhäuser
Auch das Bauen mit Holz hat eine lange Tradition. In vielen Ländern außerhalb Deutschlands und Europas ist Holz der Werkstoff Nr. 1. Inzwischen werden damit nicht nur kleine Häuser gebaut, sondern ganze Wolkenkratzer errichtet – kein Stahl, kein Beton, nur Holz. Natürlich eignet sich nicht jede Holzart dazu, ein Hochhaus zu stützen, doch es gibt eine Reihe von Sorten, die extrem robust sind und es mit jeder Klinkerwand aufnehmen können.
Holz sorgt genau wie Lehm für ein besonders angenehmes Raumklima, indem es feuchtigkeits- und wärmeausgleichend ist. Gerade Allergiker und Menschen, die unter Atemwegserkrankungen leiden, wissen dies zu schätzen. Damit der Bau mit Holz auch wirklich nachhaltig ist, darf man natürlich keinesfalls auf Tropenholz zurückgreifen. Eiche, Robinie und Lärche sind zum Beispiel gute heimische Alternativen, die ebenfalls sehr stabil sind.
Ökologische Farben und Lacke ohne Chemie
Viele Holzarten sind auf eine gute Pflege angewiesen, damit sie lange halten. Nur so können sie ihre nachhaltigen Vorzüge wirklich ausspielen. Hierbei solltest du unbedingt auf Farben und Lacke ohne giftige Zusätze achten.
Denn viele basieren auf Erdöl und sind zusätzlich mit Lösungsmitteln und anderen übelriechenden Substanzen gespickt. Sie alle solltest du unbedingt im Innenraum vermeiden, aber auch für den Außenbereich gibt es viele nachhaltige Alternativen.
Setze auf Farben und Lacke, die frei von Bioziden, Weichmachern, Lösungs- und Konservierungsmitteln sind. Stattdessen sollten sie natürliche Öle und Naturpigmente enthalten. Harze und pflanzliche Öle kannst du besonders gut für Holz einsetzen, um sie witterungsbeständig zu machen. Zusätzlich empfehlen sich für den Außenbereich Lasuren, die zum Beispiel mit natürlichen Tensiden aus Rizinusöl und Rapsöl wirken.
[1] https://globalabc.org/sites/default/files/inline-files/2020%20Buildings%20GSR_FULL%20REPORT.pdf